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«Die KI hilft mir, die eigenen Vorstellungen unmittelbarer auszudrücken.»

Ein Gespräch über die Möglichkeiten und Grenzen von KI-Bildgenerierung, die heikle Copyright-Frage und warum Midjourney derzeit die Nase vorn hat – aber die Konkurrenz aufholt.

Interview: Judith Niederberger

Veröffentlicht: 13. Februar 2025

Das Trainingsmaterial macht den Unterschied

Liebe Judith, wenn ich an Dich denke, kommen mir zuallererst Deine KI-Bilder in den Sinn. Ist es ok, wenn ich Dich als «Midjourney-Apologetin» betitele?

Der Begriff amüsiert mich. Ich arbeite seit über zwei Jahren mit Midjourney und halte es für das beste Tool – zumindest für meine Zwecke. Trotzdem würde ich meinen «Glauben» nicht durch alle Böden hindurch verteidigen. Sollte eine bessere Lösung auftauchen, bin ich durchaus bereit, die Fronten zu wechseln. Die Konkurrenz macht beeindruckende Fortschritte.

Welche weiteren Bildgenerierungstools behältst Du zurzeit im Auge?

Ideogram etwa ist herausragend bei der Kombination von Bild und Text. Wenn man einen Slogan auf einem Marketing-Artikel platzieren will, ist dieses Programm deutlich verlässlicher als Midjourney, das mit Schriften weiterhin Mühe hat. Gleichzeitig ist der Konkurrenzkampf unter den KI-Bildgeneratoren enorm, was dazu führt, dass sich die Tools zunehmend angleichen.

Also werden am Ende alle etwas Ähnliches anbieten, und der Entscheid für oder gegen eine Software wird nur eine Glaubensfrage sein, etwa wie Apple versus Microsoft?

Jein. Ich bin mir da nicht so sicher. Ein entscheidender Unterschied liegt in der Qualität des Trainingsmaterials, und  Midjourney hat hier einen enormen Vorsprung. Als das Unternehmen Anfang 2022 gegründet wurde, wandte sich CEO David Holz gezielt an Künstler, Fotografen, Illustratoren und Architekten. Im Gegensatz dazu trainierte etwa DALL-E mit Material aus Wikipedia. Diese Diskrepanz ist bis heute spürbar.

Auf die Details achten

Worin äussern sich diese Qualitätsunterschiede?

In der Detailgenauigkeit – etwa bei den Augen dargestellter Menschen. Auch beim Fokus: Bei Midjourney kann ich definieren, wo die Linse scharf gestellt werden soll – im Vordergrund, im Hintergrund oder im gesamten Bild. Die KI beherrscht den Umgang mit Stimmungen und Belichtung besser, und sie hat insgesamt einen höheren ästhetischen Anspruch.

Wo setzt du Midjourney erfolgreich ein?

Besonders im Social-Media-Bereich. Das Tool ermöglicht es, rasch individuelles Bildmaterial zu erstellen. Wer einen auf Corporate Design und Identity abgestimmten Look entwickelt, kann diesen konsistent einsetzen und so die eigene Markenpräsenz stärken. Für Einsteiger bietet Midjourney auch eine breite Palette vordefinierter Stilrichtungen an. Fortgeschrittene entwickeln eher ihre eigene visuelle Sprache.

«Für Experten-Themen gilt: Entweder man verzichtet ganz auf KI-Bilder oder lässt sie von Fachleuten prüfen.»

Und wo liegen für Dich die Grenzen der KI-Bildgenerierung?

Zum Beispiel bei Visualisierungen in Fachgebieten wie Medizin, Botanik oder Biologie. Kürzlich wollte eine Kundin anatomisch korrekte Darstellungen von Muskelstrukturen bei Pferden und Menschen generieren. Das funktioniert zurzeit und wohl bis auf Weiteres nicht, weil die KI nicht mit medizinischem Material trainiert wurde.

Auch die Darstellung spezifischer Hunderassen ist schwierig. Für Experten-Themen gilt: Entweder man verzichtet ganz auf KI-Bilder oder lässt sie von Fachleuten prüfen. Einen Mittelweg gibt es nicht.

Urheber- versus Nutzungsrecht

Wie steht es mit dem Copyright?

Die Rechtslage ist leider noch unklar. Der Prompt gehört zwar klar dem Ersteller, beim Bild wird es komplizierter. In juristischen Kreisen neigt man dazu, KI-generierte Bilder, die durch einfaches Prompting entstanden sind, als urheberrechtlich nicht schützbar einzuordnen. Kommt hingegen eine menschliche kreative Leistung dazu, eine Nachbearbeitung beispielsweise oder ein spezifisches, kreatives Prompting, könnte ein Urheberrecht entstehen.

Die Grenzen sind da alles andere als eindeutig. Midjourney seinerseits räumt seinen Nutzern das Urheberrecht ein, sichert sich aber selbst ein unbegrenztes und unwiderrufliches Nutzungsrecht. Das heisst: Die Plattform darf meine Bilder ebenfalls verwenden. Für Firmen, die exklusiven Content brauchen, ist das ein Problem. Unabdingbar ist in jedem Fall, die Nutzungsbedingungen der KI genau zu studieren. Midjourney ist dabei fairer als die Konkurrenz.

Judith Niederberger /@Lakritza

Judith Niederberger

Judith ist die Inhaberin einer Kommunikationsagentur. Ihr umfassendes Wissen zu Midjourney gibt sie in eigenen Workshops und im Rahmen von Fachlehrgängen weiter.

Die monatliche Gebühr von 8-10 Dollar klingt bescheiden. Wie sieht es mit dem Zeitaufwand aus? Und mit welchen Kosten muss ich für ein gutes Bild rechnen?

Das ist sehr unterschiedlich. Manchmal gelingt ein perfektes Bild in fünf Minuten. Andererseits gibt es Fälle, in denen ich zwei Stunden an einem Bild arbeite und immer noch nicht zufrieden bin. Aber kann nicht auch die Suche in einer klassischen Fotodatenbank oder die Vergabe von Aufträgen an Fotografen zeitintensiv sein? Unter dem Strich bin ich mit der KI am günstigsten unterwegs. Der wahre Mehrwert liegt für mich aber woanders: Ich kann mit dieser Technologie meine Kreativität in einem neuen Rahmen ausleben.

Kannst Du das erklären?

Kürzlich habe ich für ein Konzertprojekt zu Bizets «Carmen» und Gershwins «Porgy and Bess» ein Plakat erstellt. Die mit Midjourney generierten Stimmungsbilder überzeugten den Auftraggeber. Für mich war das besonders befriedigend, weil ich meine eigenen Ideen umsetzen konnte, statt auf Bilddatenbanken zurückzugreifen. Ich kannte beide Opern bereits, habe mich aber nochmals intensiv mit ihren Themen, Motiven und Symbolen auseinandergesetzt.

Dieses Hintergrundwissen war entscheidend für die Qualität der Prompts und damit der generierten Bilder. Anders gesagt: Die KI verstärkt vorhandene Stärken und hilft, die eigenen Vorstellungen besser, unmittelbarer auszudrücken.

Interview: Verena Parzer-Epp
Judith Niederberger /@Lakritza

Judith Niederberger

Judith ist die Inhaberin einer Kommunikationsagentur. Ihr umfassendes Wissen zu Midjourney gibt sie in eigenen Workshops und im Rahmen von Fachlehrgängen weiter.